Die Mobile Beratung ist seit 2008 in NRW aktiv und unterstützt Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und menschenverachtende Einstellungen engagieren wollen. Ihre Arbeit zielt auf die Stärkung demokratischer Zivilgesellschaft und Engagierter vor Ort, beispielsweise in Vereinen, Initiativen oder Verwaltungen und Organisationen. Zum 15. Geburtstag haben wir ein Interview geführt:

1. Seit 15 Jahren sind die fünf Teams in den Regierungsbezirken eine wichtige Größe und zentrale Akteure vor Ort. Rückblickend auf 15 Jahre Einsatz gegen Rechtsextremismus: Welche bedeutenden Entwicklungen und Veränderungen habt ihr in dieser Zeit in Nordrhein-Westfalen beobachtet?

Mit der Selbstenttarnung des NSU hat sich die Wahrnehmung von Rechtsextremismus auch in NRW verändert. Betroffene rechter Gewalt rücken mehr in die Aufmerksamkeitsfokus, was sich etwa durch die Einrichtung der Betroffenenberatungsstellen ausdrückt. Gleichzeitig versuchen auch wir mehr Perspektiven in unserer Arbeit zu berücksichtigen. Etwa im Kontext von politischer Bildungsarbeit, wo früher Nazibilder gezeigt wurden geht es heute um die Reflexion eigener Vorurteile. Und obwohl hier wichtige Schritte gemacht wurden, sind wir noch nicht am Ende des Wegs. Aber auch die rechtsextreme Szene selbst hat sich verändert. Klassisch-militante Neonazis treten nicht mehr so öffentlichkeitswirksam in den Vordergrund, stattdessen sind es Akteur*innen der neuen Rechten wie die Identitäre Bewegung und AfD, die den Diskurs beeinflussen.


2. Welche Erfolge und Meilensteine konnte die Mobile Beratung in den letzten 15 Jahren verzeichnen?

Die enge fachliche Vernetzung von Beginn an, hat dazu geführt, dass wir auch in dynamischen gesellschaftlichen Situationen ansprechbar waren und flexibel reagieren konnten: Zuletzt während der Coronapandemie und gegenwärtig im Zusammenhang mit den deutlich wahrnehmbareren Debatten rund um die AfD.

3. Inwiefern hat sich die Arbeitsweise der Mobilen Beratung im Laufe der Zeit angepasst, um den sich wandelnden Herausforderungen im Bereich Rechtsextremismus gerecht zu werden?

Auf Landesebene haben wir inzwischen eine Fachstelle, die Prozesse für die Teams koordiniert und ihnen in landesweiten Fragen den Rücken freihält. Außerdem haben wir unseren Kooperationsmodus professionalisiert, wo zu Beginn noch Telefonkonferenzen und Emailverteiler standen, finden wir heute Projektmanagementsoftware und Videokonferenzen. Aber auch mit Blick auf unseren Beratungsgegenstand haben wir neue Perspektiven eingenommen: Rassismus, Antifeminismus, und Fragen rund um das Thema „Beratung und Geschlecht“ nehmen mehr Platz ein. Gegenwärtig widmen wir uns vertieft dem Thema türkischer Ultranationalismus und bauen Netzwerke auf, um auch in diesem Themenfeld noch ansprechbarer zu sein.

4. Eure Aufgabe ist es, Menschen, Initiativen und Organisationen individuell zu beraten und zu unterstützen sowie Grundlagen und Voraussetzungen für ein vielfältiges, gleichberechtigtes und demokratisches Zusammenleben aller Menschen in NRW zu schaffen. Wie hat sich das Bewusstsein und die Sensibilität der Gesellschaft in NRW in Bezug auf das Thema Rechtsextremismus seit Gründung der MBR NRW verändert?

Nach Halle und Hanau wird postmigrantische Zivilgesellschaft deutlich mehr im öffentlichen Raum wahrgenommen. Eine Entwicklung, der jahrelange Kämpfe von Migrant*innenselbstorganisationen vorausgingen und die immer noch andauern. Gegenwärtig treibt viele Menschen in Deutschland die Sorge um, dass Faschist*innen an die Macht kommen, das führt zu einem stärkeren individuellen Handlungsdruck: Was kann ich tun? Wie kann ich mich engagieren, mit wem vernetzen? Hier versuchen wir individuell zu unterstützen.

5. Welche Projekte oder Initiativen, die in den letzten 15 Jahren ins Leben gerufen wurden, haben sich besonders bewährt oder herausragend positiv auf die Arbeit gegen Rechtsextremismus ausgewirkt?

Oft sind es ja lokale Bündnisse, Initiativen und antifaschistische Gruppierungen, die nachhaltig und konstant die mitunter mühselige Arbeit gegen Rechtsextremismus leisten. Überregional sind diese häufig gar nicht so sehr wahrnehmbar. Dass gegenwärtig enormes Mobilisierungspotenzial für Demos gegen Rechtsextremismus besteht, freut uns sehr, darf aber nicht davon ablenken, dass dahinter häufig Zivilgesellschaft steht, die ehrenamtlich seit Jahren Expertisen und Netzwerke aufbaut, Protest organisiert. Hier besondere Leuchttürme hervorzuheben, würde der unprätentiösen Logik von Zivilgesellschaft entgegenstehen: Es sind Viele, die herausragende Arbeit leisten und jede*r Einzelne ist wichtig.

6. Ihr entwickelt gemeinsam mit den Beratungsnehmenden mittel- und langfristige Strategien und Netzwerke zum Umgang mit Problemen in den Themenfeldern extreme Rechte und Rassismus. Welche Bedeutung hat für Euch die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und staatlichen Stellen und wie hat sich diese Kooperation im Laufe der Jahre entwickelt?

Zu unserem engeren Netzwerk gehören die Betroffenenberatungsstellen BackUp und Opferberatung Rheinland, sowie die Ausstiegsberatung NinA NRW. Dank regelmäßigen Austauschs mit diesen können wir dem Bedarf der meisten Beratungssuchenden gerecht werden, selbst wenn wir als Mobile Beratung nicht die richtige Ansprechpartnerin sind. Mit der LKS haben wir eine Ansprechpartnerin in der Verwaltung, die die spezifischen Herausforderungen unserer Arbeit kennt und immer hilft Lösungen für Probleme zu finden, die eine dynamische gesellschaftliche Situation so mit sich bringt. Die fachliche Vernetzung im Kontext des Landesnetzwerks ist unersetzbar. Immer wieder führt der gemeinsame Zusammenhang zu neuen Impulsen und Synergien.

7. In einem der Interviews der Broschüre, die ihr zum 15jährigen Bestehen erstellt habt, gibt es zur Idee der MBR das schöne Zitat von Michael Sturm „Damit sie nicht verzweifeln, sondern aktiv werden.“ Mit Blick auf die Zukunft: Welche Pläne, Ziele und Wünsche hat die Mobile Beratung für 2024/25 und wenn wir den Blick noch mehr weiten für die nächsten 15 Jahre?

Gegenwärtig haben wir alle Hände voll damit zu tun den gestiegenen Beratungsbedarf im Zusammenhang mit den Protesten gegen Rechts in den letzten Wochen abzuarbeiten. Perspektivisch wünschen wir uns, dass wir gemeinsam mit den Opferberatungsstellen und der Ausstiegsberatung mehr finanzielle Unterstützung erhalten, um ein auch für gesellschaftliche Krisenzeiten resilientes Netzwerk aufrecht erhalten zu können. Denn gerade dann sind wir gefragt und wollen vorbereitet sein.

Vielen Dank für Euren Einsatz, das Engagement und die gute Arbeit, die ihr jeden Tag leistet.

Das Interview führten Verena Hoppe und Dario Schach.

Gruppenbild der Beraterinnen und Berater der Mobilen Beratungsstellen mit der Jubiläumsbroschüre
Logo: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW

Die Broschüre zum 15jährigen Bestehen der Mobilen Beratung in NRW mit spannenden Interviews gibt es hier: Zur Broschüre

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